„Mama, Mama, schau mal, ein Eichhörnchen!“ Ronja (4 Jahre) läuft ihrer Mutter voraus auf den Reisighaufen im Garten zu, aus dem ein kleines Eichhörnchen auf sie zu kommt. Entgegen seiner natürlichen Scheu, kommt das Eichhörnchen immer wieder ganz nah an Ronja heran, rennt zurück zum Reisighaufen und wieder zu Ronja. Es scheint ein Jungtier zu sein und Ronjas Mutter erfasst sofort, dass es Hilfe braucht. Vorsichtig fangen sie das Tier ein und setzen es zunächst in einen Käfig. Über eine Freundin bekommen sie den Tipp, mit der Wildtierhilfe Odenwald Kontakt aufzunehmen.
In dem Telefonat wird ihnen bestätigt, dass sie richtig gehandelt haben und sie werden direkt zu einer Pflegestelle in Heppenheim vermittelt, die sie gut erreichen können. So macht sich Anica Daum mit Tochter Ronja und Sohn Jason, samt Eichhörnchen auf den Weg. Sky, wie das ca. fünf Wochen alte Eichhörnchenjunge jetzt heißt, wird seit Ende April von einer erfahrenen Wildtierpflegerin mit der Flasche aufgezogen. Wenn er alt genug ist, kommt er in eine geschützte Außenvoliere bei der Wildtierhilfe Odenwald, in der er seine Klettermuskeln trainieren kann, von anderen Eichhörnchen lernt, Nüsse zu knacken und Futterdepots anzulegen. Dort wird auch der menschliche Kontakt auf ein Minimum reduziert und die Eichhörnchen werden ganz schnell wieder zu scheuen Wildtieren. Wenn Sky alle für Eichhörnchen lebensnotwenigen Fertigkeiten gut beherrscht, wird er schließlich ausgewildert.
„Sky ist kein Einzelfall – Eichhörnchen-Kinder in großer Not suchen oft Hilfe bei Menschen“, weiß Korinna Seybold Hase von der Wildtierhilfe Odenwald aus langjähriger Erfahrung. Wenn die Eichhörnchen-Mutter aus irgendeinem Grund nicht mehr zum Kobel zurückkommt, machen sich die Kleinen manchmal mit letzter Kraft auf den Weg. Oft stürzen sie dabei vom Baum und bekommen davon eine blutige Nase. In ihrer Verzweiflung, dem Hunger und Durst, überwinden sie ihre natürliche Scheu vor Menschen, klettern oft sogar an ihnen hoch und suchen Hilfe. „Dieses Phänomen ist nur von Eichhörnchen bekannt“, sagt die Expertin. „Die Kleinen bitte unbedingt mitnehmen, warmhalten und sofort telefonisch mit einer Wildtierpflegestation Kontakt aufnehmen. Oft geht es um Leben und Tod und schnelles Handeln ist gefragt.“ Telefonisch können dann sofort die nächsten Schritte besprochen und das Eichhörnchen-Baby in erfahrene Hände übergeben werden (wichtige Informationen, wann und ob Jungtiere von Eichhörnchen und anderen Kleinsäugern Hilfe brauchen finden Sie auf der Homepage der Wildtierhilfe Odenwald).
Ronja und Jason freuen sich, dass es dem kleinen Sky jetzt gut geht. Diese besondere Begegnung werden die beiden sicherlich nie wieder vergessen. Sie gehen weiterhin mit offenen Augen durch Garten, Wiesen und Felder in dem Bewusstsein, dass Wildtiere manchmal unsere Hilfe brauchen.
Gabi Pratz